Ein Bekannter brach am Freitag im Büro zusammen. Er wurde von der Rettung abgeholt und starb gestern im Krankenhaus an einem Aortariss. Eine Nachricht, die mich gerade sehr berührt und schockiert.
Vor einigen Jahren, als ich schon in aller Frühe in meinem Büro saß, um zu arbeiten, lief eine Mitarbeiterin aus einer benachbarten Firma zu mir, um mich um Hilfe zu beten. Ihr Kollege sei zusammengebrochen. Ich leistete erste Hilfe, hielt seine Hand, redete mit ihm, bis die Rettung eintraf. Er starb noch im Krankenwagen. Ich war die letzte Person, die ihm beistand. Eine Fremde.
Plötzlich aus dem Leben gerissen.
Wir leben, um zu arbeiten, schieben Dinge auf, die uns wichtig sind, sind gestresst, schlafen schlecht, können die Zeit mit unseren Liebsten nicht genießen, meinen nicht, was wir sagen und sagen nicht, was wir meinen, fühlen uns im Strudel des Alltags gefangen, leben in der Vergangenheit oder in der Zukunft, suchen nach Ablenkungen, damit wir den ganzen Stress für eine Weile vergessen können. Jeder auf seine Weise.
Wenn ich mir vorstelle, was ich alles nicht gesagt oder getan habe, aus einer tiefen Überzeugung, eh noch genug Zeit zu haben und den „richtigen“ Zeitpunkt abwarten zu wollen, wird mir schlecht. „Das kann warten“, „Jetzt nicht, ich muss noch …“, „Nein, heute nicht“, „nächste Woche vielleicht“ oder einfach irgendwann im nächsten Leben.
Alles aus einem falschen Verantwortungsgefühl heraus, aus einer Überzeugung, dass arbeiten überlebenswichtig sei – vielleicht sogar wichtiger, als die schönen Dinge im Leben zu schätzen und zu genießen. Ich möchte mir nicht vorwerfen müssen, mich mit jemandem nicht ausgesprochen zu haben oder jemandem nicht gesagt zu haben, wie wichtig oder wertvoll er für mich ist. Morgen ist ja schließlich auch noch ein Tag …
Sind die Dinge, die wir tun „sollten“ wirklich wichtiger, als für uns selbst Sorge zu tragen? Wichtiger, als einen Augenblick der Ruhe oder der Nähe zu genießen? Wichtiger, als ein Lächeln oder eine Umarmung zu schenken?
Meine Tochter ist ein wunderbarer Lehrmeister. Sie bewundert die Bäume, die erste Knospen ausbilden, sie freut sich über jeden Sonnenstrahl, sie bestaunt die Welt und die Menschen, drückt aus, was gerade da ist. Und ich gebe mein Bestes, damit sie diese Fähigkeit behalten und ausbilden kann. Und ich versuche immer wieder die Welt wieder so zu sehen, wie ein Kind. Neugierig, aufmerksam, staunend und im Augenblick. Heute noch mehr, weil mir der Tod eines Menschen mein Herz und meine Augen weiter geöffnet hat.
Das vergangene Leben, der Augenblick und versäumte Gelegenheiten kehren im Leben niemals zurück. Diese Momente kann uns auch niemand wiedergeben.